Civic Innovation ist ein Begriff, der in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat – besonders im Kontext von Digitalisierung, öffentlicher Verwaltung und Bürgerbeteiligung. Doch was bedeutet Civic Innovation eigentlich genau, und warum spielt sie eine so zentrale Rolle für unsere Gesellschaft?
Definition: Was bedeutet Civic Innovation?
Unter Civic Innovation versteht man Innovationen, die aus der Gesellschaft heraus entstehen oder von ihr beeinflusst werden. Es geht um Teilhabe, Offenheit und Mitbestimmung in der Gemeinde, Stadt oder auf nationaler Ebene. Der Begriff ist nicht neu – bereits seit über einem Jahrzehnt wird er im Zusammenhang mit der Digitalisierung im öffentlichen Sektor diskutiert. Civic Innovation lässt sich als Erweiterung des Open-Innovation-Konzepts verstehen.
Von Open Innovation zu Civic Innovation
Das Konzept der Open Innovation wurde erstmals 2003 von Henry William Chesbrough in seinem Buch “Open Innovation” beschrieben. Chesbrough erklärt darin einen Paradigmenwechsel:
Früher entwickelten Unternehmen neue Produkte in geschlossenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und präsentierten sie Jahre später den Kund:innen. Heute, im digitalen Zeitalter, funktioniert Innovation als offener, agiler Co-Creation-Prozess – gemeinsam mit Kund:innen, Partnern und Zulieferern.
Civic Innovation überträgt diese Idee der offenen Innovationskultur auf die öffentliche Verwaltung und die Zivilgesellschaft. Sie öffnet damit die Grenzen zwischen Staat und Bürger:innen, um gemeinsam Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln.
Warum ist Civic Innovation so wichtig?
Die Digitalisierung hat die Spielregeln in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft grundlegend verändert. Sie verschiebt Machtverhältnisse, schafft neue Akteure und ermöglicht völlig neue Formen der Zusammenarbeit.
Drei zentrale Faktoren erklären, warum Civic Innovation heute unverzichtbar ist:
1. Plattformwirtschaft: Innovation durch Vernetzung
Die Plattformökonomie ist das Herzstück der modernen Wirtschaft. Plattformen verbinden Menschen miteinander – etwa Patient:innen mit Ärzt:innen, oder Leser:innen mit Werbetreibenden.
Früher waren solche Plattformen an physische Orte gebunden – heute genügt eine Webseite oder sogar ein LinkedIn-Profil.
In der digitalen Welt zählt nicht mehr der Zugang zu Kapital oder Ressourcen, sondern die Fähigkeit, innovativ zu sein. Wertschöpfung entsteht in sozialen Netzwerken, also in den Köpfen vernetzter Menschen.
Civic Innovation nutzt genau diesen Mechanismus – sie schafft Räume, in denen Bürger:innen Ideen austauschen, entwickeln und gemeinsam umsetzen können.
2. Diversität als Innovationsquelle
In einer globalisierten Welt ist Vielfalt (Diversität) längst Realität. In Städten wie München haben heute fast 50 % der Menschen einen Migrationshintergrund. Unterschiedliche Hintergründe, Bildungsniveaus und Lebensentwürfe prägen die Gesellschaft.
Damit diese Unterschiede nicht zu Konflikten, sondern zu Kreativität und Wohlstand führen, braucht es neue Strukturen und Denkweisen.
Hier kommt Civic Innovation ins Spiel: Sie hilft Verwaltungen, Bürger:innen mit unterschiedlichen Perspektiven einzubeziehen und gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln – für mehr soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Lebensqualität.
3. Sozialer Wandel und kontinuierlicher Dialog
Civic Innovation betrifft nicht nur Innovationen, die aus der Gesellschaft kommen, sondern auch jene, die die Gesellschaft selbst verändern.
Unsere Arbeitswelt, Bildungssysteme, Freizeitgestaltung und Erwartungen an Politik und Unternehmen befinden sich im ständigen Wandel.
Um diese Dynamik zu gestalten, braucht es offene Diskurse und partizipative Prozesse, die Innovation fördern und gleichzeitig den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
Civic Innovation in Deutschland: Ein Beispiel aus der Praxis
Ein aktuelles Beispiel ist die Initiative der Denkfabrik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).
Mit der Plattform „Civic Innovation“ wurde ein digitaler Raum geschaffen, in dem Bürger:innen eigene Ideen einreichen können – aktuell zum Thema „Faire Arbeit in der Plattformökonomie“. Damit bietet der Staat erstmals eine strukturierte Möglichkeit, dass Bürger:innen aktiv an Innovationsprozessen in der Arbeitswelt teilnehmen.
So wird Civic Innovation zur Brücke zwischen Politik, Gesellschaft und Technologie – und zu einem wichtigen Werkzeug, um Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Fazit: Civic Innovation als Schlüssel zu einer offenen Gesellschaft
Civic Innovation steht für Mitgestaltung, Offenheit und Zusammenarbeit.
Sie überträgt das Prinzip der Open Innovation auf unsere Gesellschaft und stärkt so Demokratie, Teilhabe und soziale Innovation.
Ob durch digitale Plattformen, Bürgerdialoge oder Co-Creation-Prozesse – Civic Innovation ist ein zentraler Baustein, um die Herausforderungen der digitalen Zukunft gemeinsam zu meistern.